Forschungsprojekt: Arbeitsbeziehungen im Krankenhaussektor

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Projektziel

Das Projekt untersucht die Arbeitsbeziehungen und strukturellen Rahmenbedingungen im Krankenhaussektor in Deutschland und Großbritannien. Während es in Deutschland zu weitreichenden Privatisierungen und einer Zersplitterung der Tariflandschaft kam, blieb der britische Krankenhaussektor stärker staatlich geprägt, was jeweils zu unterschiedlichen Herausforderungen für die Arbeitnehmerseite führt.

Projektbeschreibung

Kontext

Deutschland und Großbritannien stehen vor ähnlichen Herausforderungen im Gesundheitswesen, wie dem demografischen Wandel, der Privatisierung und Liberalisierung von Gesundheitsdienstleistungen und dem öffentlichen Spardruck. Die strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen in den Krankenhaussektoren beider Länder sowie die nationalen und sektoralen Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaftstraditionen unterscheiden sich allerdings stark. Dabei weichen sowohl in Deutschland wie auch in Großbritannien die Arbeitsbeziehungen im Krankenhaussektor in bemerkenswerter Weise von den jeweiligen Traditionen auf nationaler Ebene ab. Im (erodierenden) korporatistischen System Deutschlands sind die Arbeitsbeziehungen im Krankenhaussektor von hoher Fragmentierung und Konflikthaftigkeit gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu ist im pluralistischen System Großbritanniens der Krankenhaussektor durch korporatistische Arbeitsbeziehungen geprägt.

Fragestellung

Im Fokus des Projektes stehen die strukturellen Veränderungen im Krankenhaussektor in Deutschland und kontrastierend hierzu in Großbritannien. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik in den Krankenhaussektoren beider Länder auswirken und wie die Branche von den aktuellen Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor betroffen ist. Welchen Reformen wurden die Krankenhaussektoren beider Länder in den letzten Jahren unterzogen? Anschließend wird beleuchtet, wie sich vor dem Hintergrund der strukturellen Unterschiede in beiden Ländern die Arbeitsbeziehungen im Krankenhaussektor darstellen und wie sich diese entwickelt haben. Welche Strategien haben Gewerkschaften in Deutschland als Antwort auf die Fragmentierung und Erosion der Tariflandschaft im deutschen Krankenhaussektor entwickelt? Gibt es (weitere) Gegenbewegungen, die eine weitere Liberalisierung des Krankenhaussektors zu verhindern versuchen?

Untersuchungsmethoden

Neben einer Literatur- und Dokumentenanalyse erfolgte die Datenerhebung durch Experteninterviews mit Gewerkschaftsvertreterinnen und Gewerkschaftsvertretern aus Deutschland und Großbritannien. Es wurden auf nationaler und regionaler Ebene jeweils Personen befragt, die für den Krankenhaussektor zuständig waren, sowie Personen, die mit der Entwicklung oder Umsetzung von (neuen) gewerkschaftlichen Strategien im Sektor befasst waren. Die Ergebnisse stützen sich auch auf empirische Befunde, die im Rahmen der DFG-Forschergruppe "Europäische Vergesellschaftungsprozesse. Horizontale Europäisierung zwischen nationalstaatlicher und globaler Vergesellschaftung" (FOR 1539) im Teilprojekt "Arbeitsbeziehungen in Europa" entstanden sind.

Darstellung der Ergebnisse

- In den letzten Jahrzehnten hat sich die Struktur der Krankenhausträger in Deutschland stark verändert: Seit 2009 gibt es in Deutschland mehr private Krankenhäuser als öffentliche. Kein anderes europäisches Land hat mehr Krankenhäuser privatisiert als Deutschland.

- Zu der materiellen Privatisierung (d.h. der Veräußerung von Krankenhäusern an private Betreiber) kommen Formen formaler und funktionaler Privatisierung hinzu. Formale Privatisierung bezeichnet die an privatwirtschaftlichen Managementkonzepten orientierte Umorganisation von Krankenhäusern. Funktionale Privatisierung umfasst zum Beispiel Outsourcing (von Servicebereichen) und Public-Private-Partnerships. Diese letztgenannten Formen der Privatisierung werden auch in Großbritannien oft angewandt.

- Die strukturellen Veränderungen im Krankenhaussektor führten insbesondere in Deutschland zu einer Fragmentierung und Erosion der Tariflandschaft. Die Gewerkschaft ver.di reagiert darauf mit neuen Konzepten, die Tarifpolitik mit Mitgliedergewinnung verknüpfen. Die britischen Gewerkschaften verfolgen traditionell "Organizing"-Strategien, treten aber im Gesundheitssektor als starke tarif- und branchenpolitische Akteure auf.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Susanne Pernicka

Bearbeitung

Dr. Vera Glassner

Nele Dittmar

Kontakt

Dr. Eike Windscheid-Profeta
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
eike-windscheid@boeckler.de

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