Projektbeschreibung
Kontext
Der 2001 im Rahmen der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) neu eingeführte § 92 a definiert ein Initiativrecht der Betriebsräte zur Entwicklung eigener Vorschläge zur Beschäftigungssicherung. Er schafft damit die rechtliche Grundlage für eine aktive Politik der Beschäftigungssicherung der Betriebsräte und bietet möglicherweise auch ein Einfallstor für Initiativen zu unternehmerischen Fragestellungen.
Dies wiederum würde eine Abkehr von traditionellen Mitbestimmungsmustern bedeuten. Zugleich aber ist das Initiativrecht kein hartes Mitbestimmungsrecht und konkurriert zudem mit anderen Instrumenten und Regelungsformen, die von den Betriebsräten in Fragen der Standortsicherung genutzt werden können.
Fragestellung
Für den Bereich "praktische Relevanz aus interessenvertretungspolitischer Sicht" des Initiativrechts wurde in einem ersten Fragenkomplex untersucht,
- wie sich die Nutzung des Initiativrechts in verschiedenen Branchen entwickelt hat,
- welche inhaltlichen Themenstellungen und -ausprägungen dabei eine Rolle spielten,
- und welche Rolle die Gewerkschaften als Multiplikatoren und Promotoren des § 92a BetrVG bei Betriebsräten gespielt haben.
Der zweite Fragenkomplex bezieht sich auf den Bereich der Auswirkungen auf die Mitbestimmungspraxis. Interessengeleitet wurden hier folgende Punkte untersucht:
- die praktische Wirksamkeit des Beratungsrechts und die Auswirkungen auf die betrieblichen Arbeitsbeziehungen,
- die Rolle der Beschäftigten bei der Nutzung des Initiativrechts,
- potentielle Veränderungen im Verhältnis zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften sowie
- die mögliche Veränderung des Selbstverständnisses und die strategische Orientierung der Betriebsräte.
Untersuchungsmethoden
Die gewählte methodische Vorgehensweise ruht auf drei Pfeilern:
(1) Auswertung von Sekundärliteratur und Informationsmaterialien im Rahmen einer Primäranalyse,
(2) Durchführung explorativer, leitfadengestützter Interviews mit Experten aus den Gewerkschaften IG Metall, IG BCE und ver.di sowie aus der Beratung und den Technologieberatungsstellen zum Thema Anwendungspraxis des § 92a BetrVG durch Betriebsräte, die in Studien für die folgenden Branchen wie z. B. Metall- und Elektroindustrie; Chemische Industrie; Informations- und Kommunikationstechnologie einflossen;
(3) acht betriebliche Fallstudien, bestehend aus Interviews mit Betriebsräten, in denen u. a. die Themenstellungen für den Einsatz des § 92a BetrVG und Vorgehensweisen, Hemmnisse und Treiber, Ergebnisse, Nachhaltigkeit, Auswirkungen auf die betriebliche "Alltagswelt" etc. erörtert werden, so dass ein erster Trend der Voraussetzungen für den Einsatz und die Umsetzung des § 92a BetrVG nachgezeichnet werden kann.
Darstellung der Ergebnisse
Die Fallstudien zeigen, dass ein erfolgreicher Einsatz des Initiativrechts durch die Betriebsräte stark mit einer beteiligungsorientierten Miteinbeziehung der Belegschaften als Arbeitsplatzexperten einhergeht.
In gemeinsamen Diskussionen und Bewertungen von innerbetrieblichen Themen können sich unter anderem die Kommunikation, die Solidarität und die Wahrnehmung zwischen Betriebsrat und Belegschaft verbessern.
Allerdings ist dafür nicht in allen Fällen das Initiativrecht verantwortlich zu machen. Vielmehr nutzen offensive Betriebsräte auch andere Instrumente wie Tarifabweichungen oder sind so stark, dass es für die Einbringung eigener Konzepte eines formalen Bezugs auf das BetrVG nicht bedarf. Zudem lässt sich feststellen, dass die Anwendung des § 92 a BetrVG abhängig von der Unternehmensgröße und der jeweiligen Branche ist. Auch spielt der § 92 a BetrVG bei der Beratung der Betriebsratsgremien durch gewerkschaftliche Institutionen und arbeitsorientierte Beratungsgesellschaften eine eher untergeordnete Rolle. Nicht zuletzt deshalb ist der Einsatz des § 92 a BetrVG stark abhängig von den handelnden Personen und den organisatorischen Rahmenbedingungen des Betriebsratsgremiums.